Da nichts bleibt, wie es war
Als wir 1993 die erste Werkleitz Veranstaltung ausrichteten, hätten wir niemals gedacht, dass sie knapp zehn Jahre danach von Ulrich Wickert in den Tagesthemen als „documenta des Ostens“ bezeichnet und mit einem Preis der Internationalen Kunstkritik ausgezeichnet würde. Wir hatten eine Veranstaltung im Kopf, die unterschiedliche Kunstsparten gleichberechtigt präsentieren sollte: Film, Musik, Performance, bildende Kunst bis hin zu der damals neu aufgekommenen Netart. Ausgehend von dem Interesse, mit und durch Kunst gesellschaftliche Phänomene zu reflektieren und deren Diskussion voranzubringen, experimentieren wir seitdem mit verschiedenen Formaten und Organisationsmodellen. Die Werkleitz Biennale war die erste Biennale Deutschlands, weltweit die erste auf dem Lande sowie die kürzeste mit maximal fünf Tagen Laufzeit.
Mit jeder Biennale vergrößerten sich Etat und Zuschauerzahlen. Der erste Einbruch kam 2006. Die Biennale Happy Believers war nur noch mit dem halben Budget ausgestattet, ohne dass von einer direkten Kürzung gesprochen werden konnte, denn die Biennale war immer ein neues Projekt ohne festes Budget. Sie muss bei unterschiedlichen Fördereren aus der Region, dem Land und dem Bund jeweils erneut beantragt werden. Deswegen traf es sie besonders schwer, dass die öffentlichen freien Kulturförderetats in Deutschland in den letzten Jahren drastisch reduziert wurden.
Inzwischen bei einem Viertel des Budgets von 2004 angekommen, reagieren wir flexibel auf diese Situation: Werkleitz Festival statt Biennale heißt die Devise. Eine Verkleinerung geht damit einher, dafür aber auch ein verdichteter Diskurs und eine hohe Qualität der Beiträge, die die beiden Kuratoren Marcel Schwierin und Daniel Herrmann ausgewählt haben.
Neben dem Filmprogramm, dem beständigen Kern der Biennalen, wird als neues experimentelles Format das Forum eingeführt, welches die öffentliche Auseinandersetzung mit dem Festivalthema im Vorfeld und während des Festivals initiiert und wesentlich auf Kooperationen mit Hallenser Kulturorganisationen setzt. An dieser Stelle möchte ich den Kuratoren, dem gesamten Team, den Partnerinstitutionen und unseren Förderern für die Realisierung dieser nicht ganz einfachen Geburt danken!
Geblieben ist die Neugierde. Das 8. Werkleitz Festival bietet einen differenzierten Blick, je nach deutsch-deutscher Perspektive, auf unseren „großen Bluts- oder Stiefbruder“: AMERIKA. Land der unbegrenzten Möglichkeiten und ungenauen Projektionen. Schon der Name zeugt davon: Amerika steht fälschlicherweise in unseren Köpfen für die USA und vernachlässigt, dass auf dem Kontinent noch diverse weitere Nationen beheimatet sind.
Ebenso diffus zeichnet sich das Panorama der deutschen Projektionen auf die USA: von der Vorbildstellung der „Befreier“ in den 50ern bis zum Bush-Bashing des neuen Jahrtausends. Es handelt sich dabei um Meinungsbilder, die sich in der Kunst widerspiegeln ebenso wie in unserer besonders von den USA geprägten Populärkultur.
Den Kuratoren ist es gelungen, diesem polarisierenden Bild einige differenzierte Farben in der Palette hinzuzufügen und uns in das Bewusstsein zu rücken, dass die USA auch alternative demokratische Bewegungen und Gegenkulturen beheimatet und dabei wichtige Impulse für die internationale Kulturszene besonders während und nach dem Zweiten Weltkrieg geliefert hat.
Auch die USA befinden sich im Wandel. Nach den Wahlen am 4. November 2008 werden wir wissen, wie flexibel sich die Amerikaner darauf einstellen können, „da nichts bleibt, wie es war“.1
Peter Zorn, 1. Vorsitzender Werkleitz Gesellschaft
Halle
1 Liedzeile aus „Heute hier, morgen da“ von Hannes Wader